Fraunhofer IAIS vs. Corona: Projekte CorASiV & COPERIMOPlus

Unterstützung der Gesundheitsämter in der Corona-Response durch Analyse, Simulation und Visualisierung

Aufgrund der anhaltenden Pandemie stehen die Gesundheitsämter vor der großen Herausforderung, verfügbare Daten über die Ausbreitung von COVID-19 bereitzustellen und diese sowohl mit weiteren Datenquellen zu verbinden als auch zu analysieren. Im Rahmen des Fraunhofer-Aktionsprogramms »Fraunhofer vs. Corona« unterstützt das Projekt CorASiV daher die Gesundheitsämter mit Visualisierungs- und verschiedenen Auswertungstechnologien.

In enger Zusammenarbeit mit Expert*innen des Gesundheitsamts in Köln haben Data Scientists des Fraunhofer IAIS zunächst verschiedene Fragestellungen identifiziert, für deren Beantwortung Methoden des Maschinellen Lernens bzw. der Künstlichen Intelligenz bei der Eindämmung und dem Management von Pandemien unterstützen können. Diese Szenarien bilden die Basis für die Zusammenarbeit und haben das Potenzial für KI-Methoden im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens offengelegt.

Mit Hilfe von maschinellen Lernverfahren analysieren die Expert*innen der Abteilung Knowledge Discovery dann die umfangreichen Datenbestände der Kontaktnachverfolgung im größten Gesundheitsamt Deutschlands. Die Auswertung der anonymisierten Daten folgt einem agilen Vorgehen, um dem dynamischen Verlauf der Pandemie gerecht zu werden. Die Ergebnisse der Analysen werden regelmäßig mit den Expert*innen des Gesundheitsamts ausgetauscht und fließen in die Bewertung der Maßnahmen und Strategieplanung ein.

 

Die durchschnittliche 7-Tage-Inzidenz im Kölner Stadtgebiet in den verschiedenen Phasen des Infektionsgeschehens von März 2020 bis Januar 2021.

Aktuelle Ergebnisse

Vor allem die Gesundheitsämter und Labore sind durch die Pandemie stark belastet. Können typische Symptomkombinationen, dabei helfen infizierte Personen zu identifizieren, die jeweilige Virusvariante zu erkennen und somit die Gesundheitsämter und Labore zu entlasten? Diese und andere Fragestellungen wurden in einer Kooperation mit dem Gesundheitsamt Köln untersucht. Die Ergebnisse wurden auf dem EPH-Kongress 2022 in Berlin innerhalb einer Poster-Session vorgestellt. Das dazugehörige Full Paper wurde im Journal Frontiers Digital Health im November 2022 veröffentlicht und ist als Open-Access-Artikel verfügbar.

Pressekonferenz im März 2021

Im Rahmen einer Pressekonferenz wurden die ersten Ergebnisse der Zusammenarbeit gemeinsam mit der Stadt Köln am 22. März 2021 veröffentlicht. Die aktuellen Analysen der Fraunhofer-Wissenschaftler*innen zeigen altersspezifische, geografische und damit auch eingeschränkt sozio-ökonomische Zusammenhänge in der Verbreitung von Covid-19 in Köln auf. Allerdings zeigen sie auch, dass diese Zusammenhänge allein keine kausalen Rückschlüsse auf die Ursachen dieser Ausbrüche oder der Infektionsverläufe zulassen. Die Analysen unterstützen das Gesundheitsamt Köln dabei, konkrete Maßnahmen wie z. B. in der Kommunikation der AHA-Regeln oder auch die Platzierung der Standorte für Schnell- und Selbsttests strategisch auszubauen. Die aktuellen Fallzahlen für die Kölner Stadtteile können den Angaben der Stadt Köln entnommen werden.

Datengrundlage

Die aktuellen Analysen beziehen sich auf operative Daten des Gesundheitsamts, die im Zeitraum März 2020 bis Januar 2021 (Stichtag 20. Januar 2021) erhoben wurden. Insgesamt wurden dem Fraunhofer IAIS die Angaben von über insgesamt 28 848 positiv getesteten Personen und deren Kontaktpersonen übermittelt. In etwa einem Drittel dieser Fälle lag die Ansteckungsquelle in Köln.

Untersuchung

Auf Basis dieser Datensätze prüften die Expert*innen des Fraunhofer IAIS, inwiefern sich Aussagen zur altersspezifischen, geografischen und damit auch sozio-ökonomischen Verbreitung des Corona-Virus treffen lassen. Dabei wurde der Infektionsverlauf in drei zeitliche Phasen unterteilt und jeweils individuell betrachtet wie auch miteinander verglichen: Die Phase 1 von März 2020 bis Juni 2020, Phase 2 von Juli 2020 bis November 2020 und Phase 3 von Dezember 2020 bis Januar 2021.

Infektionsgeschehen zwischen Altersgruppen.
Durchschnittliche 7-Tage Inzidenz in Kölner Stadtteilen im Vergleich mit sozio-ökonomischen Faktoren.
Durchschnittliche 7-Tage Inzidenz in Köln mit Vergleich des Arbeitslosigkeitsanteils.

Beobachtungen

Geografie: Es zeigt sich ein klarer geografischer Unterschied in der Verbreitung. Während sich in Phase 1 das Infektionsgeschehen primär in linksrheinischen Stadtteilen ausbreitete, trat es in Phase 2 und 3 überwiegend im rechtsrheinischen Stadtgebiet auf.

Infektionsgeschehen zwischen Altersgruppen: Hier bezieht sich die Analyse auf die Fälle, in denen die bekannte Ansteckungsquelle in Köln liegt, was in etwa 30 Prozent der Fälle passiert. Es finden sich drei Übertragungsmuster:

  • Die meisten Ansteckungen passieren innerhalb der gleichen Altersgeneration
  • Außerhalb der eigenen Generation steckt man sich häufiger bei älteren Personen an​. Nur 14 Prozent stecken sich bei jüngeren Menschen an. Dieses Szenario umfasst sowohl Infektionswege von jungen Kindern auf ihre Eltern, als auch die erwachsenen Menschen auf die Großelterngeneration.
  • Darüber hinaus zeigt sich, dass 72 Prozent der Indexpersonen, die sich bei einer jüngeren Person angesteckt haben, das Virus nicht weitergeben. Hier werden Infektionsketten also erfolgreich unterbrochen.

Vergleich der sozio-ökonomischen Faktoren: Neben den Kontaktnachverfolgungsdaten liegen auch Datenquellen über die sozio-ökonomischen Faktoren der jeweiligen Stadtteile vor, wie z. B. Arbeitslosenquote, Mietspiegel und Migrationsanteil. Diese Daten wurden zur weiteren Betrachtung des geografischen Verlaufs der 7-Tage Inzidenz hinzugezogen. Anzumerken ist, dass keine tatsächlichen Daten über die sozio-ökonomischen Faktoren der individuellen Indexpersonen vorliegen, da keine der o. g. Faktoren in der Kontaktnachverfolgung erhoben werden.

  • Stadtteile mit niedriger Arbeitslosigkeit waren in der frühen Phase stärker betroffen
  • Stadtteile mit hoher Arbeitslosigkeit waren in den späteren Phasen stärker betroffen. Migrationsanteil und Mietspiegel verhalten sich ähnlich.
  •  Für Indexpersonen in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit ist Ansteckungsquelle öfter bekannt​.

Ausblick

Das Fraunhofer IAIS wird seine Expertise in der Analyse komplexer Datensätze in der Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Köln weiter einbringen. Die bisher generierten Hypothesen stellen dabei die Ausgangsbasis für die Beantwortung weitere Fragen dar, die sich aus der Kontaktverfolgung und den damit verbundenen Fragen in der Pandemiebekämpfung stellen. Zudem ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung gemeinsam mit den epidemiologischen Expert*innen des Gesundheitsamtes Köln geplant.

Aktuelle Entwicklungen

FAZ / 7.5.2021

Aufhebung Impfreihenfolge

Reportage: Stadt Köln hebt Impfreihenfolge in einzelnen Bezirken mit hoher Inzidenz auf.

FAZ / 6.5.2021

Impfungen in strukturschwachen Vierteln

Fragestellung: Muss gezielter in strukturschwachen Vierteln geimpft werden?  

Westdeutsche Zeitung / 5.5.2021

Förderprogramme in Hotspots

240.000 Personen werden verstärkt angesprochen: über Flugblätter oder direkt in verschiedenen Sprachen.

Stern TV / 5.5.2021

Impfungen in Corona-Hotspots

Ein mobiles Impfangebot im Stadtteil Chorweiler startet aufgrund hoher Inzidenzwerte.

Kölner Stadt-Anzeiger / 2.4.2021

5 neue Corona-Testzentren

In den hochinzidenten Stadtteilen Meschenich, Chorweiler, Finkenberg, Kalk und Mülheim eröffnen neue Corona-Testzentren

Kölner Stadt-Anzeiger / 30.3.2021

Wirkung der Gastronomie-Schließung

Interview mit Dr. Stefan Rüping (Fraunhofer IAIS): Gastro-Schließung wirkt vor allem in wohlhabenden Veedeln.

ZDF - Heute im Parlament / 24.3.2021

Denkanstoß im Deutschen Bundestag

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Mützenich bezieht sich in seinem Redebeitrag auf die Untersuchungen des Fraunhofer IAIS und der Stadt Köln.

WDR / 22.3.2021

Mehr Aufklärung

Der Krisenstab der Stadt Köln hat die Ergebnisse analysiert und setzt auf mehr Aufklärung und eine Verbesserung der Teststrategie.

Über die Projekte CorASiV und COPERIMOPlus

Mit der Mitarbeit in den Projekten CorASiv und COPERIMOPlus unterstützt das Fraunhofer IAIS die Arbeit des Gesundheitsamtes Köln während der Corona Pandemie.

CorASiV steht dabei für »Unterstützung der Gesundheitsämter in der Corona-Response durch Analyse, Simulation und Visualisierung«. Das Projekt wird vom Fraunhofer IGD koordiniert und setzt an verschiedenen Hebelpunkten an, indem auf Basis einer flexiblen Datengrundlage KI-Methoden sowie intelligente Analysemethoden und -modelle entwickelt werden. Dafür haben sich mehrere Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen, um ihre spezifischen Expertisen einzubringen und individuell für mehrere regionale Gesundheitsämter Unterstützung anzubieten. In dem Projekt COPERIMOPlus, Coronvirus personalisierte Risiko Modelle Plus, wird die Zusammenarbeit fortgeführt.

Das Fraunhofer IAIS fokussiert sich dabei auf den Bereich der Analyseunterstützung und bringt neben den Kompetenzen zur Modellierung strukturierter Daten aus dem Geschäftsfeld Healthcare Analytics insbesondere seine langjährige Erfahrung in der Analyse von raumzeitlichen Daten ein.

»Fraunhofer vs. Corona«

Unterstützung von Wirtschaft und Gesellschaft

Die COVID-19-Pandemie erschüttert alle Bereiche des öffentlichen Lebens und stellt Menschen und Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Das von der Fraunhofer-Gesellschaft ins Leben gerufene Aktionsprogramm »Fraunhofer vs. Corona« unterstützt Wirtschaft und Gesellschaft bei der Bewältigung direkter Auswirkungen und späterer Folgen: von akuten Projekten im Life-Science-Sektor über den engen Schulterschluss mit den Unternehmen bis hin zum unmittelbaren medizinischen und medizintechnischen Support.

Hier finden Sie Interviews, Podcasts, Pressemitteilungen und mehr:

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Weiteres aus dem Geschäftsfeld Healthcare Analytics

 

Am Fraunhofer IAIS entstehen intelligente Lösungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen: u. a. Optimierung von Arbeitsabläufen, Auswertung medizinischer Daten und Studien, Gestaltung neuer Angebote für Ärzt*innen und Patient*innen.  

Medical NLU. Campus

Untersuchung von Dokumenten mit Natural Language Understanding (NLU): z. B. Fake News Detection, Strukturierung medizinischer Befunde, Korrespondenz-Management.

Künstliche Intelligenz für die Pharmakologie und Medizin

Begleitung klinischer Studien: Daten auswerten, Muster aufdecken, neue Erkenntnisse gewinnen.

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