Künstliche Intelligenz im Krankenhaus

Forschungsprojekt LOTTE

»Leitsystem zur Optimierung der Therapie traumatisierter Patient*innen bei der Erstbehandlung«

Unfälle im Verkehr, am Arbeitsplatz, im Haushalt oder beim Sport führen in Deutschland jedes Jahr fast zehn Millionen Mal zu Verletzungen. Ein kleiner Teil dieser Unfälle führt zu Schwer- und Mehrfachverletzungen. Die Versorgung schwerverletzter Patient*innen zählt mit zu den komplexesten Situationen in der Unfallchirurgie. Versorgungsentscheidend ist dabei vor allem die Behandlung in der Frühphase, d.h. dem Zeitraum bis zur Aufnahme des Patienten oder der Patientin auf eine Intensivstation oder bis zur Verlegung in ein spezialisiertes Zentrum.

Im vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Forschungsprojekt LOTTE wurden Szenarien für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data in der Behandlung von Schwerverletzten im Krankenhaus entwickelt. Bei diesen Szenarien steht insbesondere die datengetriebene Entscheidungsunterstützung im Mittelpunkt.  

Projektpartner waren neben Fraunhofer IAIS der Lehrstuhl für Management und Innovation im Gesundheitswesen sowie der Lehrstuhl für Unfallchirurgie und Orthopädie am Klinikum Köln Merheim an der Universität Witten/Herdecke und das Institut für Rechtsinformatik (IRI) von der Leibniz Universität Hannover.

Haben Sie Fragen zum Forschungsprojekt LOTTE oder Interesse am Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Ihrem Krankenhaus? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz in der Schwerverletztenversorgung

Die im Forschungsprojekt LOTTE entwickelten Einsatzszenarien machen ein enormes Potenzial von Künstlicher Intelligenz in der Schwerverletzten-Versorgung deutlich und zeigen Handlungsfelder für die Digitalisierung von Krankenhäusern in Deutschland auf. Sie sind hier entlang des Behandlungspfades in der Schwerverletzenversorgung aufgelistet. Die Szenarien beschreiben konkrete mögliche Anwendungsfälle von KI im Bereich der Notfallversorgung und stellen einen Blick in ein mögliches Krankenhaus der Zukunft dar.

Mit unserem Geschäftsfeld Healthcare Analytics unterstützen wir Kliniken bei der Analyse und Implementierung von Einsatzszenarien in den Bereichen Data Science und Künstliche Intelligenz.

© Dario Antweiler, Fraunhofer IAIS

1. Intelligente Alarmierungskette

Die Kommunikation vom Unfallort erfolgt über Notarzt, Leitstelle, Krankenhauspforte, Schockraum-Management bis zum Schockraumteam üblicherweise per Telefon. Durch intelligente Unterstützung dieser Alarmierungskette kann das Gespräch zwischen Notarzt und Leitstelle automatisiert in Datensätze umgewandelt werden – wichtige Daten wie Art der Verletzung, voraussichtliche Zeit der Einlieferung, Zustand der Person etc. werden erfasst, maschinenlesbar abgelegt und an alle Akteure weitergegeben.

Über ein System, das in Echtzeit die Auslastung relevanter Krankenhäuser abfragt, kann die Leitstelle die verletzte Person dem richtigen Zielkrankenhaus zuordnen und die fallbezogenen Daten an das behandelnde Team übermitteln.  

2. Semiautomatische Sprachdokumentation

Üblicherweise beginnt der Einsatz im Schockraum mit der Übergabe durch das einliefernde notärztliche Team. Dabei werden wertvolle Informationen mündlich vermittelt und momentan selten in strukturierter Form festgehalten.

Die semiautomatische Dokumentation bietet hier Verbesserungspotenzial: Dabei wird durch ein Sprachsystem mit Mikrofonen im Schockraum die Übergabe digital aufgezeichnet und automatisch in ein strukturiertes Text-Protokoll umgewandelt.  

3. Trajektorien-Klassifikation

Dieses Einsatzszenario setzt zu Beginn der Behandlung im Schockraum an: Indem das behandelnde Team bereits jetzt schon einen Überblick über die Komplexität des Falles und einen möglichen Gesamtverlauf (»Trajektorie«) erhält, kann es frühzeitig informierte Entscheidungen treffen.

Ein KI-basiertes System, welches aus hunderttausenden von vergangenen Fällen statistische Zusammenabhänge ableitet, berechnet anhand bestimmer Parameter eine objektive und quantitative Einschätzung der Fallkomplexität und des erwarteten Verlaufs. Das Ergebnis wird durch die Schockraum-Leitung abgerufen und dem gesamten Team digital visualisiert zur Verfügung gestellt.

4. Smartes Leitlinien-Interface

Umfang und Komplexität der für die Schwerverletzten-Versorgung empfohlenen Leitlinien erschweren eine alltägliche und spezifische Nutzung.

Ein Leitlinieninterface kann nach Eingabe von Fallparametern einen mit den Leitlinien konformen Behandlungsverlauf vorschlagen und nächste Schritte empfehlen. Es unterstützt die Priorisierung von Maßnahmen und dokumentiert begründete Abweichungen.

5. Literatur-Mining

Literatur-Mining befasst sich mit der Bereitstellung aktueller Informationen
zu Behandlungsmaßnahmen. Dies ist vor allem nach der ersten Stabilisierung der Patient*innen relevant, wenn es um eine genauere Untersuchung geht. 

Das Schockraum-Team erhält Zugriff auf eine semantische Suchmaschine, die eine große Auswahl an aufbereiteter medizinischer Literatur bereithält. Das Team kann sich fehlende Informationen einholen, was insbesondere bei seltenen Fällen wichtig ist.  

6. OP-Risikoabschätzung

Schwerverletzte tragen ein besonders hohes Risiko, wegen Komplikationen bei Operationen zu versterben. Diese lebensgefährlichen Komplikationen machen einen hohen Anteil tödlicher Einsatzverläufe im Schockraum aus – deshalb können sie auch den potenziellen Nutzen einer Operation übersteigen. Das System berechnet aus den zur Verfügung stehenden Klinikdaten und den Daten der zu behandelnden Person das individuelle Komplikationsrisiko.

Diese Information kann das Team zur Entscheidung heranziehen, ob eine operative Maßnahme ergriffen wird oder besser verschoben oder nicht durchgeführt wird. Ziel ist die Reduktion von lebensgefährlichen
Komplikationen.

Whitepaper

»Künstliche Intelligenz im Krankenhaus: Potenziale und Herausforderungen – Eine Fallstudie im Bereich der Notfallversorgung«

Durch die von der Bundesregierung aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie angestrebte Stärkung des Gesundheitswesens, sowie einer gestiegenen Förderung moderner Notfallkapazitäten und einer besseren digitalen Infrastruktur, ergeben sich völlig neue Potenziale – aber auch Herausforderungen – für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Für das vorliegende Whitepaper wurde ein konkreter Anwendungsfall, die Notfallversorgung im Krankenhaus, im Detail untersucht und beschrieben. Dabei wird analysiert, wie Methoden des Maschinellen Lernens, u.a. der Sprachtechnologie und Textanalyse, das Personal bei der Notfallversorgung in Kliniken unterstützen können. Die Resultate werden in sechs Beispielszenarien zusammengefasst.

Einige zentrale Erkenntnisse lauten: Künstliche Intelligenz hilft bereits jetzt dabei, Herausforderungen im Gesundheitswesen zu bewältigen. Besonders erfolgsversprechend zeigen sich dabei maßgeschneiderte Anwendungen. Und nicht zuletzt haben KI-Lösungen den größten Effekt in der Praxis, wenn sie gemeinsam mit qualifiziertem Personal unter Einbeziehung von Anwender*innen in einem strukturierten Prozess entwickelt wurden.

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